URLAUB IN DER ALTSTADT VON BURG
 

Auf Rollen von der Sahrensdorfer- in die Süderstraße

Fehmarnsches Tageblatt
Jahrgang 125, Nummer 298, 22.12.1980

Alte Häuser in Burg

Auf Rollen von der Sahrensdorfer- in die Süderstraße
Acht Kinder wurden in dem kleinen Haus in der Süderstraße 35 großgezogen

„Gustav Carl Martini, Catharina Martini, 1805“ – diese Inschrift steht auf einem Balken an der schmucken Fachwerk-Fassade des Hauses Nr. 35 in der Süderstraße. Und diese Inschrift ist es auch, die dem historisch interessierten Beobachter Rätsel aufgibt, denn laut Kartei von Stadtarchivar Georg Laage wurde das Haus erst 1841 an dieser Stelle von einem Gustav Jakob Wilder aus Landkirchen erbaut. Das Haus, das vorher auf diesem Grundstück stand, brannte ab.
Des Rätsels Lösung fanden wir in einem Gespräch mit den Nachbarn zur Rechten, dem Taxiunternehmer Otto Barnasch und seiner Frau Herma, geborene Radden, deren Sohn Gerhard das Haus Nr. 35 heute gehört. Mündlich wird überliefert, dass das kleine Haus einst in der Sahrensdorfer Straße stand und später dort abgebaut und in die Süderstraße überführt wurde. Das Fachwerkgerüst soll im Ganzen auf Rollen dorthin transportiert worden sein, ein Unterfangen, das in damaliger Zeit – man schrieb etwa das Jahr 1841 – eine Menge Aufsehen in Burg erregt haben mag.
Ein Blick in die Namenskartei Georg Laages untermauert diese mündliche Überlieferung: die eingangs erwähnten Gustav Carl Martini, ein Kaufmann, und seine Frau Catharina wohnten tatsächlich um 1805 in der Sahrensdorfer Straße 23. Sie erbten das Haus, das später diesen abenteuerlichen Weg antreten sollte, von ihrem Vater Karl-August Martini, der bis 1802 darin wohnte.




Wie gesagt, war also Gustav Jakob Wilder ab 1841 der erste Bewohner des in der Süderstraße neu aufgebauten Hauses Nr. 35. Es folgten 1853 seine Erben und im Jahre 1884 eröffnete ein H. David den Reigen dieser Familie, die das Haus bis in dieses Jahrhundert in Besitz hatte und noch vielen älteren Leuten auf dem Süderende bekannt sein dürfte. 1897 wurde das Haus auf Christine David umgeschrieben, vermutlich die Witwe Heinrich Davids. Sie übte den Beruf einer Brotträgerin aus, bei welchem Bäcker lässt sich leider nicht mehr feststellen.
1924 tritt der Sohn Gustav David die Besitznachfolge an, er war mit Louise verheiratet. Acht Kinder gingen aus dieser Ehe hervor, alle verlebten sie eine schöne Jugend in dem kleinen Haus in der Süderstraße. Im Hause nebenan wohnte die Familie Radden mit ihren drei Töchtern Herma, Carmen und Erna. Noch heute erinnern sich die drei gern an ihre Kindheit und ihre Erlebnisse mit „Tante Lucie“, wie sie Louise David liebevoll nannten.
Kinder waren immer gern gesehen in dem kleinen Haus in der Süderstraße 35, und obwohl mit den eigenen acht Kindern Max, Lucie, Mary, Hannchen, Betty, „Kolle“, Anneliese und Ewald das Haus schon „gut gefüllt“ war, verbrachten die drei Töchter der Raddens viele schöne Stunden im Nachbarhaus bei den Davids.
Heute gehört das Haus Gerhard Barnasch, dem Patensohn von Mary David, der dieses Kleinod, vor dem mancher Besucher der Stadt bewundernd stehenbleibt, liebevoll hegt und pflegt und auch von innen geschmackvoll und dem Stil entsprechend ausgestattet hat.
Zu der Zeit, als die Stadt Burg noch in Quartiere eingeteilt war, gehörte das Haus vor 1888 zum 2. Quartier und trug die Nummer 83, nach 1888 gehörte es zum 3. Quartier und trug die Nummer 1. –mk–